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Online-Enzyklopädie Frauen in der Theoriegeschichte

Frauen in Theoriegeschichte

Theoriegeschichte und Kanonisierung

Eine Website für mehr Diversität in der Lehre

Dass die Literaturgeschichte noch immer vor allem aus männlicher Perspektive betrachtet wird, ist weithin bekannt. Noch schlechter als um den literarischen Kanon steht es aber um die Theorie. Studierende der Literatur- und Kulturwissenschaften absolvieren Einführungen in die Ästhetik, Poetik, Kritik, Literatur- und Kulturtheorie und beschäftigen sich nahezu ausschließlich mit den Werken männlicher Autoren.

In den meisten Einführungswerken zur Literaturtheorie fehlen Darstellungen zu Margarete Susmann. Käthe Hamburger wird wenig gelesen, Gloria Anzaldúa jenseits der Hispanistik kaum wahrgenommen. Namen wie Svetlana Boym, Eva Illouz, Rita Felski, Hortense Spiller, Mieke Bal haben die meisten Lehrenden und Studierenden schon einmal gehört, aber auch gelesen?

Die meisten werden nicht mitbedenken, dass wir Margarete Susman das Konzept des ‚lyrischen Ichs‘ verdanken, dass Monique Wittig maßgeblich Judith Butler geprägt hat und dass nicht nur Luce Irigaray, sondern auch Sarah Kofman und Shoshana Felman die geschlechtlichen Implikationen der Psychoanalyse kritisiert haben.
Nicht immer waren es jedoch Prozesse von Kanonisierung, die mit der geringeren Sichtbarkeit vieler Theoretikerinnen* zusammenhängen. Mitunter waren Lebenswege und historische Erfahrungen schuld daran, dass wir etwa Käte Hamburger kaum lesen. Viele Theoretikerinnen distanzierten sich auch bewusst von universitären Kontexten. Dies gilt etwa für Gloria Anzaldúa oder auch für Sarah Ahmed. Und auch ästhetische und theoretische Entscheidungen mögen dazu beitragen, dass viele Theoretikerinnen* nicht immer als solche wahrgenommen werden. Maria Stepanova hat mit Nach dem Gedächtnis so ein Werk vorgelegt, das ebenso Roman wie Theorie ist, das gleiche gilt für Maggie Nelson, die in The Argonauts nach einer Form zwischen Literatur und Theorie sucht. Dass diese literarischen Elemente und persönlichen Bezüge jedoch inhärenter Teil der Theoriegeschichte sind, ist jeder Leserin von Montaigne klar.

Spuren legen

Essays, Podcasts, Graphic Novels

Wie in der Kunst- und Literaturgeschichte mag zudem das Narrativ der Ausnahmefrau Schuld sein für die Heraushebung weniger Theoretikerinnen. Dieses Narrativ besagt kurz gesagt, dass es große Künstlerinnen gegeben hat, aber nur in Ausnahmefällen (vgl. dazu Mary Sheriff The Exceptional Woman, Isabelle Graw Die bessere Hälfte). Eine solche selektive Sichtweise prägt auch die Theoriegeschichte – mit Folgen für die universitäre Lehre, die interessanter, vielfältiger und breiter sein könnte, ja: müsste.

In dieser Online-Enzyklopädie der weiblichen Theorie werden Porträts zu Theoretikerinnen verfügbar gemacht, die nachhaltig für die Lehre und Forschung nutzbar sein sollen. In kreativen und explorativen Beiträgen – Essays, Graphic Novels, Podcasts – stellen diese Einträge das Werk von Theoretikerinnen* vor. Das Projekt möchte weibliche Theorie sichtbar machen und damit zu mehr Diversität in Seminar- und Lehrplänen beitragen. Die hier veröffentlichten Texte möchten gelesen und rezipiert werden und suchen hierfür nach neuen Wegen, Theorie zu rezipieren und aufzubereiten. Die Website soll Spuren legen und dazu anregen, sich weiter mit dem Werk von Theoretikerinnen auseinanderzusetzen.

Diversität in Lehre